Im Rennen um die Aufmerksamkeit, Medienzeit und das Interesse treten 2023 auch die Kommunen in Konkurrenz zu den Streaming-Diensten. Unfug? Oder mit Recht?
Corona hat es uns gezeigt: Digitalisierung kommt bei den Bürgern an. Wortwörtlich. Denn es liegt nicht am mangelnden Interesse der Bürger für die Themen einer Kommune, sondern an der Hürde, bei einer Präsenzsitzung vor Ort persönlich teilnehmen zu müssen, um die Inhalte konsumieren zu dürfen.
Sie merken es. “Müssen” – und “Dürfen”. Muss ich persönlich vor Ort sein, um mir eine Information abzuholen oder darf ich sie auch digital konsumieren? 2020 und 2021 war es klar: Ich durfte teilweise meine Wohnung nicht ohne triftigen Grund verlassen, bzw. musste im Krankheitsfall definitiv daheim bleiben. Daher musste die Teilnahme für kommunale Formate digital übersetzt werden: Die Hybrid-Sitzung wurde erschaffen oder auch der Livestream einer Ratssitzung oder Bürgerversammlung.
2023 sind wir alle wieder in unserer Wahl: Kino oder Netflix? Theater oder Amazon Prime? Gemeinderatssitzung vor Ort oder … ?
Es liegt also 2023 an den Kommunen, ob sie “freiwillig” Rats-, Ausschusssitzungen oder die Bürgerversammlungen im Internet übertragen oder auch den aktiven Mitgliedern eine hybride Teilnahme ermöglichen. Wir wollen wir auflisten, warum es sich lohnt, als Kommune der Digitalisierung auch 2023 treu zu bleiben und seine Bürgerinnen und Bürger ein Angebot zu machen, live im Stream oder Hybrid bei Sitzungen dabei zu sein. Und damit die Demokratie zu zelebrieren.
Ist 2023 die Saalöffentlichkeit noch ausreichend?
Der Begriff “Saalöffentlichkeit” klingt antiquiert. Er besagt ganz banal, dass eine Säule unserer Demokratie die Herstellung der Öffentlichkeit in einem Gremium ist. Bedeutet: Es ist eine Aufgabe für alle demokratisch gewählten Organe, Kommunen, Räte, Bürgermeister, Gemeinden oder Städte den Entscheidungs- und Willensbildungsprozesse eines Gremiums Öffentlichkeit bekannt zu machen. Typischerweise wird das dadurch erreicht, dass interessierte BürgerInnen während einer öffentlichen Sitzung ungehindert teilnehmen können. Sie dürfen also den Saal betreten und zuhören: Saalöffentlichkeit.
Häufig sind aber leere Plätze in den Zuschauerrängen üblich. Warum? Klar, man kann das Problem auf die BürgerInnen abwälzen: Wenn keiner kommt, interessiert es wohl auch keinen!
Aber: Hier hat Corona gezeigt, dass es auch anders geht: Bürgerversammlungen, die gezwungenermaßen online stattfanden, erreichten deutlich mehr Zuschauer als die Veranstaltungen davor vor Ort. Hybride Sitzungen verbuchten rund 150% zusätzliche Zuschauer aus dem Internet. Gleiche Zahlen galten auch für die Beteiligung und Fragen.
Das Interesse ist also hoch, aber das Verlangen nach der Art der Kommunikation hat sich also verändert. 2023 ist nicht 1990 und auch nicht 1983. Denn das ist nun auch schon 40 Jahre her! Der Internetzugang ist heute keine Hürde mehr, sondern Grundrecht. Die Hauptquelle für Informationen ist für jedermann das Internet und Social Media.
Vor allem die Lokalpolitik findet 2023 in Social Media statt: In Bürgerforen auf Facebook werden Themen der Kommunen besprochen. Dort wird nicht nur über Hundehaufen, Müll und Verkehr geschimpft, sondern auch über zukünftige Bauprojekte spekuliert und Informationen ausgetauscht.
Auch die Tageszeitung ist nicht mehr das, was sie mal war! Oder sind die Leser schuld?
Auch bei der Tageszeitung haben wir ein Henne-Ei-Problem. Fakt ist: Die Verkaufszahlen der Tageszeitungen sind stark rückläufig. Laut Statista wurden 2011 noch 18,8 Millionen Exemplare von Tageszeitungen verkauft. 2021 nur noch 12,3 Millionen. Die Auflagen aller Tageszeitungen in Deutschland haben sich seit 1995 halbiert. „News deserts”, also Nachrichtenwüsten werden in den USA Regionen bezeichnet, in denen es keine regionale Berichterstattung mehr gibt.
Tageszeitungen waren einer der Hauptlieferanten von aktuellen Informationen aus den Kommunen. Gehen wir davon aus, dass es immer noch so ist, haben wir weiterhin ein Problem: Die Information kommt nicht beim Bürger an! Die Kommunikation ist gestört.
Willkommen im Jahr 2023 – und im geänderten Kommunikationsanspruch
Wir müssen akzeptieren, dass die Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung 2023 anders funktionieren. Um die Öffentlichkeit zu erreichen – und damit sind nicht einzelne Gruppen gemeint – sondern eine breite Öffentlichkeit – müssen die Kommunen so denken, wie 2023 gedacht wird: Mit geänderter Kommunikation.
Zuhören und Feedback, um sich zu verbessern. Partizipation und digitales Mitmachen
Applaus gibt es in Livestreams noch selten. (Technisch ist es aber kein Problem.) Was es aber gibt ist die Kommentar- und Fragen-Funktion. Ein tolles Mittel, um Bürgerbelange sichtbar zu machen. Nur wer nachfragt wird auch Antworten bekommen. Gerade für die Zuschauer vor Ort ist es eine Überwindung, an ein Mikrofon vor der ganzen Versammlung zu treten und eine Frage zu stellen. Die Frage aber mit den Fingern zu tippen, ist keine Hürde. Vielleicht kann ich die Frage auch anonym stellen und decke damit etwas auf? Die Kommune und ihre Entscheidungsträger bekommen so ungefiltertes, wertvolles Feedback ihrer Bürger.
Was kann ich für mein Ehrenamt tun? Vorteile für Gemeinderäte bei hybriden Sitzungen
Engagiert man sich für einen Verein oder die Kommune kennt man den Spruch: Die Leute sind immer die gleichen, die etwas anpacken und sich für ein Ehrenamt zur Verfügung stellen. So auch bei den Räten einer Gemeinde oder einer Stadt. Sie bekleiden Vorstandsämter beim Sport, in anderen Vereinen, in der Kirche oder Kultur. Die gleichen Personen sind aber eben auch Gemeinderäte. Die Terminkalender sind voll. Dazu kommt noch das “normale Leben” mit Beruf, ggf. Familie und Hobbies.
Das Ziel aller Gemeinderäte lautet, sich so oft und aktiv an den Sitzungen zu beteiligen. Ist aber nicht immer möglich. Mal steht eine Geschäftsreise an, ein anderes Mal ist man krank oder im Urlaub. Wie wäre es, wenn das, was während Coroana funktionierte, auch 2023 wieder aktiviert wird? Die hybride Stadtratssitzung! So kann jeder Gemeinderat selbst entscheiden: Nehme ich vor Ort an einer Sitzung teil und bin mit meinen KollegInnen im Saal oder bin ich zugeschaltet und kann von jedem Ort aus teilnehmen?
Die Freiheit wählen zu dürfen, würde sicher einigen ehrenamtlichen Räten gefallen. Es wäre einfacher, öfter Präsenz zu zeigen, auch wenn man nicht im gleichen Raum ist.
Der Datenschutz und das Persönlichkeitsrecht: Alles machbar mit Einverständnis.
Datenschutz ist wichtig. Der Schutz der Persönlichkeit ist wichtig. Das Recht am eigenen Bild ist wichtig. Alles keine Frage!
Auch für eine hybride Gemeinderatssitzung gelten gewisse Regeln und Vorgaben. So empfiehlt der Landesdatenschutzbeauftragte Bayern Einwilligungen aller Gemeinderatsmitglieder einzuholen, damit diese nachweislich erklärt haben, sowohl mit der Liveübertragung als auch mit der Archivierung der Sitzungen einverstanden sind. Sollten weitere Personen z.B. externe Redner zu Sitzungen eingeladen sein, muss auch von diesem Personenkreis eine Einwilligung vorliegen. Zuschauer im Publikum dürfen ohne Einverständnis auch nicht gefilmt werden.
Hierzu ein Gedanke: Wenn ich mich für ein öffentliches Ehrenamt wählen lasse, Entscheidungen treffe für meine MitbürgerInnen, dann sollte ich auch den Mut haben, meine Meinung öffentlich zu vertreten. Ist die Presse z.B. bei einer Sitzung mit anwesend, werde ich mit meinem Beitrag ggf. auch zitiert.
Fazit:
- Es ist die Aufgabe von allen, die an der Demokratie mitwirken, eine Öffentlichkeit herzustellen.
- Öffentlichkeit nur in einem Saal einzusperren ist antiquiert und vor allem nicht mehr notwendig. Öffentlichkeit herzustellen, funktioniert 2023 mit Liveübertragung.
- Das Kommunikationsverhalten aller BürgerInnen hat sich geändert. (Mobil)
- Die Informationsbeschaffung hat sich geändert. (Social Media und Internet)
- Die bisherigen Informationswege funktionieren nicht mehr. (Zeitungen)
- Liveübertragungen stellen keine unüberwindbaren Kosten mehr da.
- Mit hybriden Sitzungen hilft man dem Ehrenamt.
- Fehlendes Interesse der Bürger ist nicht das Problem, sondern die Folge des fehlenden Angebots.
- Die Frage des Datenschutzes ist lösbar.
- Wenn alle mitmachen, ist die zusätzliche Transparenz ein Gewinn für die Demokratie.
Whitepaper als PDF zum Download
Für alle, die tiefer in das Thema eintauchen wollen, empfehlen wir umfangreiches Whitepaper „Hybridsitzungen und Livestream in der kommunalen Kommunikation“. Auf über 30 Seiten fassen wir den Status Quo zusammen, gehen auf die Gründe für und gegen einen Livestream von Ratssitzungen ein und geben eine unverbindliche Kostenschätzung ab. In einem zusätzlichen Kapitel gehen wir auf die benötigte Technik ein und klären die Fachbegriffe. Wer sich für das Whitepaper interessiert, kann gerne eine Mail an hello@prankl.org schicken. Dann schicken wir Ihnen das PDF gratis zu.
Wir freuen uns auf Sie!